Integrativ Bauen

Generationenvielfalt unter einem Dach

Auf dem ehemaligen am Inn angren­zenden Campingplatz (1959) im Olympia­viertel der Stadt Innsbruck Reichenau entsteht ein stadtteil­prägendes Gebäude­ensemble, dass ein Altenpflege und Seniorenwohnen mit sozialem Wohnungsbau unter einem Dach vereint. Die vorgefunden hete­rogene Be­bauung aus Wohn­türmen, Reihen­häusern und Solitär­bauten wird durch ein kammartig gegliedertes Gebäude­ensemble aus Doppelzeilen urban verdichtet, die private als auch öffent­liche Höfe ausbilden und zum Inn hin mit turm­artigen Gebäudekörpern, als markanter Kontra­punkt zum nie­drigeren Gebäude­­riegel entlang der Reiche­nauer­straße im Süden, ab­schließen. Im Westen bleibt eine weit­läufige öffent­liche Parkanlage mit altem Baum­bestand bestehen an dem das Wohnheim Reichenau mit dem Altenpflegeheim und den Senioren­appartements anschließt.

»Eine deutlich luftig blaue Front zur Straße, vor der imposanten Berg­kulisse, stellt den größeren städ­tischen Zusam­men­hang des neuen Gebäude­­komplexes Reichenau heraus.« Otto Steidle

Gebäude

Solitär im Ensemble

Im der westlichen Doppelzeile des Gebäudeensembles ist das vom Wohnungs­bau autonome Altenpflege­heim mit betreutem Seniorenwohnen und Woh­nungen für Seniorenpaare verortet, sowie verschiedene gemein­schaftliche Ein­­­rich­tungen und Insti­tutionen, die im Wohnheim Reichenau kooperativ organisiert werden. Die Heraus­forderung bestand darin, das kom­plexe Raum­programm und die hohen technischen An­forderung eines Kranken­haus­standards, in der fest­ge­legten Ge­bäudeform der Doppel­zeile unter­zu­bringen, sowie die Schnittstelle mit dem sozialen Woh­nungsbau, ge­mein­samen Höfen und Garagen naht­los zu orga­nisieren. Mit achtzig Pflege­zimmern über vier Etagen, zwölf Se­nioren­­appartements mit optionale Pflege und acht Senioren­wohnungen im Dachgeschoss und einem öffen­tlichen Kaffee wirkt das kompakte Wohnheim durch die transparenten Raumübergänge und heitere Farben großzügig und offen.

Fassaden

Himmelblau

Der südliche Gebäuderiegel nimmt das Blau des Himmels auf, während im Wes­­ten das warme Gelb der Abend­sonne sich dem im­posanten Berg­panorama entgegen­stellt. Diese groß­flächig organisierten Fassaden­farben setzen sich mit dem Blau in Erd­geschoss und den Gelborangetönen auf den Wohn- und Pflege­etagen innen­räumlich fort, getragen von einer frei inszenierte An­­ord­nung von Balkonen, die ent­sprechend der Be­wohner­zim­mer, eine eher individu­elle Existenz gegenüber der großen kollek­tiven Gebäudeform wider­spiegelt, die sich durch die farb­liche Differen­zierung der Funktionselemente in eine spie­lerische Leichtigkeit aufgelöst.

Organisation

Café und Co. . .

Das Blau der Südfassade zieht sich über die das Erdgeschoss dominierende blaue Innenwand bis in die nördliche Spitze des Gebäudes in das öffent­liche Café mit Zugang zum Park und dem Mehrzwecksaal hinein. Der Pförtnerin im Eingangs­bereich ist zugleich Empfang als auch Verteiler der ver­schiedenen Funk­tions­bereiche der einzelnen Etagen, wie Tages­pflege, Arzt, Friseur, Ergo-und Physio­therapie und Verwaltung im Erdgeschoss, den oberen Pflege- und Wohn­geschossen, sowie der Kapelle im Turm, als auch Großküche, Wäscherei und Lager­ im Unter­geschoss und der Sakristei mit Zugang zur Tiefgarage.

Treppen und. . .

Die Erschließung erfolgt über zwei große Treppenhäuser, in der Nordspitze mit orangengefärbten Wänden, dass neben den Pflegegeschossen die Turmkapelle erschließt und dem im südlichen "Gelenk" angeordnetem grüneingefärbten, der die Senioren­appartements mit vom Wohnheim separaten Wohnungszugang.

Fensternl

Wohnpflege

Zimmer

Die privaten Räume der Bewohner, sowohl in der Pflege wie in den Apparte­ments, sind einheitlich im neutralen Weiß und einem Holzboden aus Erle, einem Duschbad und einem Balkon ausgestattet. So bleibt Raum für per­sön­liche Gestaltung. Dagegen sind die Gemeinschaftsräume je nach Etage mit einem vom klassischen Farbleit­system abweichendem Farbkonzept, das aus­schließlich aktivierende und heitere Farben von Rotorange über Orange bis Gelb feingefärbt. Jedes Pflegegeschoss erstreckt sich über die gesamte Etage mit einer gemein­schaft­lichen Aufenthaltsbereich in der Mittelzone und einem großen Ge­mein­schaftsraum im Norden. Durch ge­schickte Verdich­tung der Technik sind die Raumhöhen in den Fluren wie in den Zimmer erhalten. Kleine Fenster erlauben "das Fensterln" in andere Gebäudebereiche und den allgegen­wärtigen Ausblick in die Grünanlagen.

Turm

Kapelle

Das bestimmende Element der Kapelle ist das große Fenster, welches den Blick auf das majestätische Bergpanorama lenkt, während das farbige Licht der seitlichen kleinen Quadratfenster die innere Einkehr begleitet. Die Aus­stat­tung sind Objekte mit einer klaren und schmucklosen Form­gebung, die sich zugunsten der persönlichen spirituellen Sprache zurücknimmt.

»Architektur ist das kunstvolle, korrekte und großartige Spiel der unter dem Licht versammelten Baukörper.« Le Corbusier

Daten

Architektur

Wettbewerb 1. Preis
Projektpartner Professor Otto Steidle
Architekturwerkstatt Otto Steidle Akademie dbK München
Bauherr Stadtplanung Innsbruck
Objektüberwachung TIGEWOSI
Bauzeit 1994 bis 2000
BGH 12.000 m2
LHP 1 bis 9, Objektplanung

Ausstellungen

»Otto Steidle I Land Stadt Haus«
Architekturmuseum TUM Pinakothek der Moderne München
11/2003 bis 03/2004
Buchveröffentlichung

»Otto Steidle I Neue und unbekannte Projekte«
Architekturmuseum Schwaben Augsburg
02/2000 bis 04/2000
Katalog

Verwante Projekte

Blaues Quartier

Gemeinsam inmitten Vertrauten und Auf­bruch

Urbane Farben

Solitäre und Ensembles