Integrativ Bauen
und Vielfalt leben
»Wir formen unsere Häuser und anschließend formen sie uns!« (Winston Churchill)
Urbanisieren
Auf der freigewordenen Grünfläche des ehemaligen Campingplatzes Reichenau entstand ein Gebäudekomplex, der mehreren Generationen mit unterschiedlichen Bedürfnissen eine neue Heimat bietet.
Campingplatz Reichenau um 1959
Wohnheim Reichenau mit Wohnanlage 1999
»Eine deutlich luftig blaue Front zur Straße, vor der imposanten Bergkulisse, stellt den größeren städtischen Zusammenhang des neuen Komplexes Reichenau heraus.« (Otto Steidle)
Identifizieren
Die ehemals vorgefundene städtebauliche Situation von punktuell angeordneten Hochhäusern, Solitär- und Zeilenbauten und der Grünfläche des Campingplatzes am Inn, wurde mittels eines durchgehenden Gebäuderiegels entlang der Reichenaustraße nachhaltig verdichtet. Richtung Norden öffnet sich die doppelzeilig angelegte Hofbebauung, die mit turmartigen hohen Gebäudekörpern Richtung Inn abschließt und einen markanten Kontrapunkt zum südlichen niedrigen Gebäuderiegel bildet. Die westliche Abgrenzung bildet ein weitläufiger Park mit altem Baumbestand.
Strukturieren
Dem klar strukturierten Baukörper steht eine frei inszenierte Anordnung der Balkone, Fenster und Fenstertüren entgegen, die in Entsprechung der einzelnen Bewohner eine eher individuelle Existenz in der großen kollektiven Gebäudeform findet.
Inszenieren
Der südliche Gebäuderiegel nimmt das Blau des Himmels aufs, das Gelb im Westen die warme Abstrahlung der Abendsonne, die sich mit Heiterkeit der imposanten Bergpanorama entgegenstellt.
Elementieren
Die farbliche Unterscheidung von Funktionselemente innerhalb der Fassadenbauteile rhythmisieren die Fassadeelemente mit einer spielerischen Eleganz.
Organisieren
Das komplexe Raumprogramm vereint Wohnen, Pflegen und Versorgen unter einem Dach: Achtzig Pflegezimmern sind über vier Etagen verteilt, zwölf Seniorenapartments mit optionaler Pflege im südlichen Riegel und acht Seniorenwohnungen im Dachgeschossflügel mit westliche Sonnenterrasse zum Parka ausgerichtet. Die Erschließung erfolgt über zwei große Treppenhäuser im Norden und im Süden und Aufzüge. Pförtner, Verwaltung, eine Tagespflege und externe Dienstleister sind im Erdgeschoss angesiedelt. Das ebenfalls auf dieser Ebene befindet sich das Café mit Parkzugang und der Mehrzwecksaal. Rückzugsort ist die im Turm gelegenen Kapelle mit Blick auf das imposante Bergpanorama. Im Untergeschoss befinden sich Technik- und Personalräume, die Großküche, Wäscherei und Tiefgarage.
Erschließen
Das südliche Treppenhaus ist dem Haupteingang angeschlossenen und erschließt die Pflegegeschosse und südliche gelegenen Seniorenwohnungen mit separatem Zugang. Das im Norden gelegene Treppenhaus windet sich bis in Turm hinauf.
Fensterln!
Die räumliche Trennung der Brandabschnitte wird durch kleine Fenster durchbrochen und ermöglichen immer wieder den Blick dahinter in andere Abteilungen und in die Landschaft.
Orientieren
Die dezidierte Farbgebung der Außenfassade steht im Verbund mit dem gesamten Gebäudeensemble und wird in der Innenraumorganisation des Wohnheims mit einem spezifizierten Farbenkonzept fortgesetzt. Für das Wohnheim werden Abweichend vom konventionell eingesetzten Farbleitsystem Blau-Grün-Rot-Gelb erstmals Farben psychologisch und energetisch eingesetzt: Rot, Rotorange, Gelborange und Gelb in aufsteigender Ordnung analog der aufsteigenden Geschosse — sinnbildlich Gelb in Richtung Sonne, Rot für Erde!
Betreuen
Die Erschließungswege und Gemeinschaftsräume sind warmen Farben zwischen Rot und Gelb eingefärbt, jeweils eine Farbe pro Geschoss zur Orientierung. Wogegen sich die privaten Zimmer in Weiß und Natur Esche eher zurücknehmen. Jedes Zimmer und jeder Gemeinschaftsbereich verfügt über Balkone oder Loggien.
Kommunizieren
Der sich aus der Gebäudegeometrie ergebende gelenkartige und zurückversetzte Eingang wird dominiert von der blauen Wand, die das Blau der Fassade bis ins Café fortsetzt — der Raum in dem sich die Bewohner mit Ihren Freunden und Gästen beim Karten spielen, Zeitung lesen und beim Schwadronieren die Zeit vertreiben.
Illuminieren
Die Magie des farbigen Lichteinfalls leitet zur inneren Einkehr und Kontemplation.
Meditieren
In der Abstraktion der Objekte nimmt sich die christlich geprägte Haltung dieses Hauses zurück- Das bestimmende Element dieser Kapelle ist das große Fenster, welches den Blick auf das majestätische Bergpanorama lenkt, neben den Farbigen Fensteröffnungen und dem Sternenhimmel.
Tabernakel
Projektleitung
Manuela Rademaker
in Projektpartnerschaft mit Professor Otto Steidle
Mitarbeit
Eva Schildt, Rainer Pohl und Studenten
Baudaten
1993 Wettbewerb 1. Preis
1994 — 2000 Gebäudeplanung und Umsetzung
1999 Eröffnung
(BGF 12.500 QM, NGF 10.500 QM)
80 Pflegezimmer, 20 Seniorenappartements, Tagepflege, Café, Mehrzwecksaal mit Bühne, Kapelle, Verwaltungs- und Anwendungsräume, Stadtteil-Großküche, Wäscherei, Sakristei und Tiefgarage
In Kooperation mit der Tiroler Gesellschaft für Wohnungs- und Siedlungsbau im Auftrag der Stadt Innsbruck in Österreich
Ausstellungen
Im Rahmen der Ausstellung »Otto Steidle — Land Stadt Haus« im Architekturmuseum der Technischen Universität München in der Pinakothek der Moderne vom 20. November 2003 bis 21. März 2004
Im Rahmen der Ausstellung »Otto Steidle — Neue und unbekannte Projekte« im Architekturmuseum Schwaben in Augsburg 24. Februar — 30. April 2000
Publikationen
»Otto Steidle — Land Stadt Haus« Buchveröffentlichung anlässlich der gleichnamigen Ausstellung »Otto Steidle — Neue und unbekannte Projekte« Katalog zur gleichnamigen Ausstellung